Juni 2009: Internationale Durchsetzung des OECD-Standards zum Informationsaustausch
Das OECD Musterabkommen zur Doppelbesteuerung entfaltet keine unmittelbare Wirkung, sondern enthält einen Standard für die einzelnen bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen, die jeweils im Verhandlungsweg vereinbart werden. Artikel 26 des Musterabkommens sieht als Grundsatz vor, dass die zuständigen Behörden die Informationen austauschen, die zur Durchführung des Abkommens oder zur Verwaltung oder Anwendung innerstaatlichen Rechtes betreffend Steuern jeder Art und Bezeichnung, welche für Rechnung der Vertragsstaaten oder ihrer Gebietskörperschaften erhoben werden, voraussichtlich erheblich sind.
Wenn ein Vertragsstaat in Übereinstimmung mit Artikel 26 um Erteilung von Informationen ersucht, wendet der andere Vertragsstaat zur Beschaffung der Informationen seine innerstaatlichen Ermittlungsbefugnisse an, auch wenn er die Informationen nicht für seine eigenen Steuerzwecke benötigt. Im Ergebnis sind aufgrund des OECD-Musterabkommens daher grenzüberschreitende steuerliche Auskunftsersuchen möglich.
Eine ganze Reihe von Ländern hatte sich bisher geweigert, die Standards des OECD-Musterabkommens zu übernehmen. Wegen des großen internationalen Druckes, der hierzu ausgeübt wurde, haben sich zwischenzeitlich jedoch unter anderem auch die Schweiz, Liechtenstein, Luxemburg, Belgien und Österreich zur Übernahme der OECD-Standards bereit erklärt.
Eine große Bedeutung hatten hierbei die von der OECD veröffentlichen Listen. Die „weisse“ Liste enthält die Länder, die bereits mindestens 12 Doppelbesteuerungsabkommen nach OECD-Standard abgeschlossen haben, insbesondere etwa die Bundesrepublik, die USA oder auch Frankreich und Großbritannien. Alle anderen, die sich dem Standard möglicherweise zwar verpflichtet fühlen, ihn aber nach Ansicht des OECD-Sekretariates noch nicht in ausreichendem Maße anwenden, finden sich auf der „grauen“ Liste wieder. Hierzu gehören etwa Belgien, Österreich, Luxemburg oder die Schweiz. In einer Fußnote weist die Liste aber darauf hin, dass diese Länder bereits Zugeständnisse beim Informationsaustausch gemacht haben. Insbesondere haben diese Länder ihre Vorbehalte gegen den einleitend dargestellten Artikel 26 des Musterabkommens aufgegeben. Die „schwarze“ Liste ist für diejenigen Jurisdiktionen bestimmt, die sich nicht verpflichtet haben. Hierzu gehören z.B. Costa Rica, die Philippinen und Uruguay.
Mit Umsetzung des Musterabkommens und damit von Artikel 26 in den jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen ist die jeweilige bisherige „Steueroase“ nicht mehr existent. Vielmehr muss klar damit gerechnet werden, dass in der Zukunft auf Anfrage eines anderen Vertragsstaates für steuerliche Zwecke Auskunft erteilt werden wird. Nicht auszuschließen ist auch, dass diese Auskünfte, die bisher nur auf Anfrage erfolgen, in Zukunft sogar automatisiert erteilt werden könnten. Jedenfalls gibt es Bestrebungen, die sich auch mit dem neuen Standard nicht begnügen wollen.