Verschärfung der Rechtsprechung: Absenkung der Wertgrenze für „grosses Ausmaß“ der Steuerhinterziehung
Der Bundesgerichtshof hat mit einem erst kürzlich veröffentlichten Beschluss vom 27.10.2015 (Az: 1 StR 373/15) seine langjährige Rechtsprechung in einem wichtigen Punkt verschärft: Bisher hatte das Gericht bei einem „grossen Ausmaß“ einer Steuerhinterziehung unterschieden zwischen einem echten Steuerschaden und einer blossen Steuergefährung. Bei einem echten Steuerschaden wurde für das große Ausmaß eine Wertgrenze von 50.000 € zugrunde gelegt. Ein Steuerschaden in diesem Sinne bestand, wenn der Steuerpflichtige sich Erstattungsbeträge erschlichen hat, insbesondere etwa Vorsteuerbeträge, oder etwa auch Betriebsausgaben fingiert hat. Demgegenüber wurde für die Steuergefährdung ein großes Ausmaß erst dann zugrunde gelegt, wenn eine Wertgrenze von 100.000 € erreicht war. Dies betraf vor allem die praktisch wichtigen Fälle eines Verschweigens von Kapitaleinkünften, beispielsweise in der Schweiz. Die Frage, ob die jeweilige Grenze erreicht oder überschritten ist, bestimmt sich hierbei nach Steuerart und Veranlagungszeitraum.
Mit seiner jüngsten Entscheidung hat der Bundesgerichtshof diese bisherige Unterscheidung aufgegeben und geht jetzt einheitlich von einem großen Ausmaß stets dann aus, wenn ein Betrag von 50.000 € erreicht ist. Damit will das Gericht Rechtssicherheit schaffen und seine Rechtsprechung zur Strafbarkeit der Steuerhinterziehung an die Rechtsprechung eines großen Ausmasses bei Betrug und Untreue angleichen.
Diese Rechtsprechungsänderung ist für die Praxis von großer Bedeutung für die Frage der Strafzumessung und der Verjährung. Liegt eine Steuerhinterziehung in einem großen Ausmaß vor, so ist Freiheitsstrafe vom Gesetz vorgesehen und beträgt der Strafrahmen dann zwischen sechs Monaten und zehn Jahren. Ferner verjährt eine Steuerhinterziehung in großem Ausmaß strafrechtlich nicht bereits in fünf Jahren, sondern erst in zehn Jahren. Sofern Selbstanzeige zur Vermeidung einer Strafbarkeit erstattet werden soll, ist diese Verlängerung der Verjährung zu berücksichtigen.